Vereinbarkeit von Familie und Dienst

Die Bundeswehr gilt mittlerweile als familienfreundliches „Unternehmen“. Insbesondere in den letzten fünf bis zehn Jahren hat sich im Bereich Vereinbarkeit von Familie und Dienst viel getan und entwickelt. Wir haben unter anderem Teilzeitmodelle, Freistellungsmodelle, „Betriebskindergärten“, zumindest an einigen sehr großen Standorten und eine mittlerweile sehr ausgeprägte Telearbeitslandschaft, insbesondere in Stäben, Ämtern und Kommandobehörden.

Wir dürfen beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Dienst nur Folgendes nicht vergessen:

  • Eine Flexibilisierung von Arbeit ist zwar nicht nur für Eltern sinnvoll, sondern für jeden, der sie für sich und die Organisation nutzen kann, aber es ist einfach nicht in jeder Verwendung/ Tätigkeit sinnvoll bzw. umsetzbar und angebracht. Insbesondere in der aktiven Truppe ist beispielsweise ortsunabhängiges Arbeiten schwierig umzusetzen; der Panzerkommandant wird seinen Dienst genau so wenig von zu Hause oder zu beliebigen Zeiten verrichten können, wie der Pilot, der Techniker oder der Panzerfaustschütze. Und es gibt meiner Erfahrung nach Führungsverwendungen, die zum Teil zwar am Schreibtisch stattfinden, jedoch eine Präsenz erfordern und demnach nicht zu einem überwiegenden Teil im Homeoffice erledigt werden können.
  • Auch wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Dienst geht, muss die Erfüllung des Auftrages im Vordergrund stehen. Heißt für mich, dass hier nicht jede Tätigkeit zu bestimmten Lebenszyklen geeignet ist. Es macht in meinen Augen wenig Sinn, jemanden auf einen sehr fordernden Dienstposten zu setzen, der aufgrund seiner privaten Situation dem gar nicht gerecht werden kann, weil er beispielsweise parallel zum Dienst kleine Kinder betreut/ erzieht etc.

Für eine wirkliche Vereinbarkeit von Familie und Dienst – und hier spreche ich vor allen Dingen Elternpaare und Alleinerziehende mit jüngeren Kindern an – brauchen wir daher weitaus mehr als Telearbeit und Teilzeitmodelle. Natürlich sind diese Instrumente gut, aber sie treffen aus meiner Sicht nicht den Kern! Viel mehr brauchen wir ein Umdenken in unseren Arbeitsabläufen und Verwendungsaufbauten. Dabei stehen für mich drei wesentliche Aspekte im Vordergrund:

  1. Wir brauchen mehr Verantwortung auf und Vertrauen in die Verbandebene/ Einheitsebene. Der direkte Vorgesetze ist der erste und wichtigste Ansprechpartner eines jeden Soldaten. Meiner Erfahrung nach können hier vertrauensvolle und sinnvolle Entscheidungen getroffen werden, die in der Verantwortung der Disziplinarvorgesetzten liegen. Per se weitere Vorgesetze und Gleichstellungsbeauftragte zu beteiligen, Anträge auszufüllen und genehmigen zu lassen, ist häufig ein unnötige bürokratischer Aufwand.

2. Wir müssen unserer Arbeitsgestaltung und Arbeitsauffassung umdenken; weg von dem Denken in 41 Stunden pro Woche, weg von der Stechuhr und hin zu einer Flexibilisierung von Arbeitszeiten. Diese Denkweise ist typisch für Großunternehmen und ich persönlich kenne sie vor allem aus Stäben oder Amtsverwendungen, wo ich häufig ein Mindset Problem wahrgenommen habe; in der Regel wird exakt nach Dienstzeit gearbeitet, jede Minute mehr wird aufgeschrieben oder durch die Zeituhr erfasst. Ich mache nicht dem Mitarbeiter einen Vorwurf, der so denkt, es ist viel mehr ein systemisches Problem und in meinen Augen eine Fehlkonditionierung.

Wir müssen weg von der Denkweise, dass ich besonders gut bin, wenn ich möglichst viele Überstunden auf der Uhr habe. Ich bin vollkommen gegen Zeiterfassung, weil es genau zu dieser Denkweise führt. Wenn wir einfach nach Workload arbeiten würden, dann wird eine Zeiterfassung überflüssig. Und wenn ich dann noch in der örtlichen Gestaltung flexibel bin und auch virtuell beispielsweise an jeder Besprechung teilnehmen kann, dann habe ich die Flexibilität, die ich brauche.

Man kann diese Arbeitsgestaltung „Projektarbeit“ oder Arbeitseinteilung nach „Workload“ nennen. Am Ende des Tages muss es dann egal sein, ob ich in einer Woche 50 Stunden arbeite und dafür in der anderen Woche nur 25 Stunden, am Ende muss der Workload erfüllt sein oder das Projekt erfolgreich abgeschlossen. Das wäre Flexibiltät, da ich mir meine Arbeit so frei einteilen kann und selbst organisieren kann, wie ich Dienst, Kinder/ Familie unter einen Hut bekomme.

3. Für eine tatsächliche Vereinbarkeit von Familie und Dienst halten wir zu starr an Verwendungsaufbauten fest, die sich überhaupt nicht an Lebenszyklen und privaten Bedürfnissen ausrichten. Das heißt, dass es aus meiner Sicht sehr intensive Verwendungen und wegweisende Entscheidungen gibt, die zu einer Zeit stattfinden, in der häufig auch die Familiengründung ein Thema ist (hier beziehe ich vor allen Dingen auf die Laufbahn der Truppenoffiziere).

Ich will damit nicht sagen, dass der Arbeitgeber per se zu jeder Zeit meine private Situation berücksichtigen muss, wenn wir aber gut funktionierende, motivierte Führungskräfte an den Stellen haben wollen, die absolute Schlüsselpositionen sind, dann kann ich diesen Aspekt nicht vollkommen ausblenden, insbesondere wenn wir mehr Frauen in solche Position bekommen wollen, die nach wie vor sehr häufig einen Kernanteil an der Kindererziehung übernehmen.

Ein Beispiel aus meinem Privat-/ Dienstleben:

Mein Mann und ich sind beide Stabsoffiziere, wir haben die gleichen fachlichen Qualifikationen, Diensterfahrungen, Kompetenzen, sind beide ehrgeizig und mit Leidenschaft Soldat. Wir sind auch beide liebevolle Eltern und leben eine vollkommen gleichberechtigte Partnerschaft. Dennoch WOLLTE ich nach den Geburten zu Hause bleiben und primär für die Kinder da sein und wir beide waren damit einverstanden.

Nach unserem ersten Kind war mein Mann gerade in seiner Chefverwendung, die volle Präsenz und Ansprechbarkeit erfordert. Ich selber wollte meinen Sohn weder nur am Wochenende sehen, noch von morgens 7 Uhr bis abends 18 Uhr in Fremdbetreuung haben. Somit kam für mich eine Verwendung als Disziplinarvorgesetzter nicht in Frage (von meiner Seite aus), obwohl ich es gerne gemacht hätte. Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Kinder älter sind, wäre der Zeitpunkt allerdings deutlich besser, dann sieht es aber in der Regel mein Verwendungsaufbau nicht mehr vor. Damit machen wir uns selbst unflexibel.

Es gibt natürlich Beispiele, bei denen nicht nur Familienväter, sondern auch Familienmütter in Verwendung als Chef o.Ä. sind und dort auch durchaus erfolgreich sind. Wären wir aber mit dem Zeitpunkt unter anderem einer solchen Verwendung flexibler, dann wäre sie sicherlich für weitaus mehr, insbesondere auch Frauen, deutlich interessanter und besser umzusetzen.

Ich möchte keinen falschen Eindruck erwecken, ich habe gemeinsam mit meinem Personalführer eine gute dienstliche Lösung gefunden in einer Verwendung als Personalstabsoffizier. Aber auch hier war es ein täglicher Spagat zwischen Familie und Beruf, der oft sehr schwierig zu gestalten war.

Demnach sage ich als Mutter von zwei kleinen Kindern und Führungskraft in der Bundeswehr ganz klar, dass ich vor allen Dingen für eine Flexibilisierung von Arbeitsmodellen sowie eine auf Lebenszyklen und individuell abgestimmte Verwendung plädiere. Ich brauche keine Kita Öffnungszeiten von morgens 06:00 Uhr bis abends 19.00 Uhr, da ich für meine Kinder da sein und sie erleben möchte. Ich brauche also für diese Zeit, in der mich meine Kinder besonders intensiv als Mutter brauchen, eine passende Verwendung, in der ich flexibel arbeiten kann, ohne dabei per se auszuschließen, forderndere Verwendungen zu einem späteren Zeitpunkt anstreben zu können.

Wir müssen erkennen, dass bestimmte Tätigkeiten mehr und andere eben weniger für ein hohes Maß an Flexibilisierung geeignet sind. Am Ende des Tages muss aber die Erfüllung des Auftrages an erster Stelle stehen und somit nicht die Sichtweise, dass der Arbeitgeber Bundeswehr jede Verwendung so zu gestalten hat, dass sie für mich kompatibel ist. Viel mehr sollten wir dahin kommen, dass wir uns von einem stringenten Verwendungsaufbau lösen und mehr dahin gehen, Verwendungen und Tätigkeiten auch in Relation zum persönlichen Lebenszyklus zu setzen bzw. Lebensumstände zu berücksichtigen. Kombinieren wir dies mit einer Ausrichtung am Workload und nicht an der Stundenanzahl, sind wir aus meiner Sicht wirklich ganz weit vorne, um Familie und Dienst zu vereinbaren.

Ich bin gespannt auf Meinungen, Erfahrungen und andere Sichtweisen!

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