Offizierschule der Luftwaffe – ein kritischer Rückblick auf mein 14. Schuljahr nach der Schule

Die Offizierschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck war 2006 meine erste militärische Station; das erste Mal wirklich Berührung mit Militär – zumindest nahm ich das damals an. Ich gehörte zu dem Jahrgang, der keine Grundausbildung in einem Luftwaffenausbildungsbataillon (LAB) genießen durfte. Diese Inhalte sollten an der Offizierschule vermittelt werden. Dieser Punkt war zum damaligen Zeitpunkt ein riesen Diskussionspunkt; viele fanden es nicht gut, mich eingeschlossen, dass sie die Erfahrung einer drei monatigen Grundausbildung nicht machen konnten.

Über das für und wider wurde sehr häufig diskutiert, insbesondere mit denen, die eine reguläre Grundausbildung genossen hatten, weil sie vorher schon Grundwehrdienst geleistet hatten oder die Offizierschule zum zweiten Mal absolvieren mussten. Es ging unter anderem um die fehlende militärische Sozialisierung der Offizieranwärter, um das Stellen falscher Bilder, um fehlende Ausbildungsinhalte usw.. Rückblickend sehe ich das alles weniger kritisch; ob ein Offizieranwärter nun eine drei monatige Grundausbildung in klassischer Form durchlaufen hat oder nicht, entscheidet nicht darüber, ob er ein guter oder schlechter Offizier wird!

Klar ist, dass man die Truppe mit seinen verschiedenen Facetten erst in der Truppe kennenlernen kann, was durch den Wegfall des Grundwehrdienstes erst nach dem Studium geschieht. Das Gefüge in den Streitkräften ist geprägt durch die verschiedenen Laufbahnen und Fähigkeiten, welche im Verbund die Einsatzbereitschaft sicherstellen. Jeder leistet mit seinen speziellen Fähigkeiten und Fertigkeiten seinen Beitrag zum Erfolg. Um in diesem Umfeld zu bestehen und seinen Platz als militärischer Führer behaupten zu können bedarf es Empathie, Flexibilität, Toleranz und Teamfähigkeit.

Im Umfeld der Offizierschule ist die Vielfalt sehr eindimensional, denn hier werden Offizieranwärter von Offizieren ausgebildet. Die sozialen und kognitiven Unterschiede, welche die Truppe so interessant und real machen fehlen in Gänze. Somit ist die echte Erfahrung in der Truppe für den Einen eine wahre Erfüllung und eine Herausforderung an der man wachsen kann und für den Anderen ein bitteres Erwachen. Gott sei Dank zähle ich zu den Kameraden, die an der Aufgabe gewachsen sind und weg von der Theorie eine Ausbildung genießen und durchführen konnte, die am Einsatz ausgerichtet ist. Ich konnte meine Kompetenzen, besonders im Bereich Führung und Ausbildung, steigern und die Fähigkeiten meiner Frauen und Männer ausbauen, genau wie meine eigenen.

Sicherlich mag es sein, dass diese drei Monate der Grundausbildung ein sinnvoller Ausbildungsabschnitt sein können, aber viel mehr geht es doch um die innere Einstellung eines jeden Soldaten, um seine Werte und Normen, seinen Berufsethos, seine Einstellung zum „dienen“ und vieles mehr. Dies kann auch nicht in drei Monaten Grundausbildung vermittelt werden, sondern ist etwas, was jeder im Herzen trägt und sich über die Jahre entwickelt.

Das Beispiel mit der Grundausbildung beschreibt aber ein ganz anderes Problem sehr gut: die ziemlich gut ausgeprägte negativ Kultur in unseren Streitkräften. Alles, was neu ist, wird erst einmal kritisch bis negativ beäugt. Man muss das Rad nicht stets und ständig neu erfinden, wir müssen aber neuen Impulsen auch mal positiv gegenüberstehen und ihnen eine Chance geben. Stillstand ist Rückschritt und Fortschritt erreichen wir nur durch Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft und damit tuen wir uns in der Bundeswehr sehr schwer.

Darüber hinaus hat die Offizierschule der Luftwaffe in meinen Augen ein viel gravierenderes Problem: Grundausbildung hin oder her – Offizieranwärter absolvieren hier in meinen Augen ihr 14. bzw. 13. Schuljahr nach dem Abitur! Fairer Weise muss ich sagen, dass meine Zeit an der Offizierschule nun fünfzehn Jahre zurückliegt, ich mir aber über den Austausch mit Kameraden und anderen dort besuchten Lehrgängen schon eine aktuellere Meinung erlauben kann.

Meiner Ansicht nach muss es zu aller erst einmal darum gehen eine Art Waffenstolz bzw. Zugehörigkeitsgefühl zu schaffen. Jeder Offizieranwärter, der an die Offizierschule der Luftwaffe kommt, muss spätestens nach dieser Zeit stolz darauf sein, Luftwaffenoffizier zu werden! Natürlich funktioniert die Bundeswehr nur in der Gesamtheit und im Laufe der Zeit habe ich beispielsweise durch Verbundübungen oder auch Einsätze festgestellt, wie bereichernd die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Teilstreitkräften (TSK) sein kann. Aber man muss wissen, wo man zu Hause ist! Das hat die Offizierschule bei mir damals leider nicht geschafft. Dieses Gefühl hat sich erst deutlich später entwickelt, in meiner ersten Verwendung als Zugführer beim Objektschutzregiment und insbesondere durch meinen Einsatz in Afghanistan.

Dieses Gefühl kann aber auch in einer vollkommen verschulten Umgebung gar nicht entstehen! Wir wurden damals von Inhalten fast erschlagen. Die Themen in Wehrrecht waren zu diesem Zeitpunkt viel zu tiefgründig, Lufwaffen- oder Ausbildungslehre vollkommen ohne Praxisbezug rübergebracht und zum Teil von Stabsoffizieren vermittelt, die schon seit Jahren keinen Tapetenwechsel mehr erlebt hatten und schon recht keinen Truppenbezug mehr hatten.

Die Luftwaffe fliegt! Und das atemberaubendste, was die Luftwaffe hat und kann, ist Luftmacht im Wirkverbund zu demonstrieren. Ich bin kein Pilot und kenne mich auch nicht mit Luftordnungen oder Ähnlichem aus, aber ich weiß, dass es einfach sau stark ist auf einer Flight zu stehen, Flugzeuge kommen und gehen zu sehen und zu hören und zu wissen, dass man ein Teil davon ist! Das muss vermittelt werden! Praxisbezug, Luftwaffe fühlen, riechen, schmecken, darum muss es gehen. Der Pilot sitzt im Cockpit und ist ein absoluter hoch spezialisierter Profi, aber alle anderen sind ein Teil davon! Ohne die Techniker, Fluglotsen, Towerpersonal, Soldaten, die in Krisengebieten die Sicherheit am Flugplatz sicherstellen und vielem mehr, wird das Flugzeug nicht fliegen.

Deshalb ist es ein Team, das Team Luftwaffe. Dazu muss aber auch jeder verstehen, was dazu gehört, wie es ineinander und miteinander funktioniert. Nicht jeder muss einen Jet fliegen können, aber jeder braucht ein Verständnis davon, wie beispielsweise ein Flugplatz funktioniert, wie alles zusammenhängt; „Airmaidness„! Und das schaffen wir bis heute nicht zu vermitteln.

Wie kann man das ändern oder verbessern? Meiner Meinung nach, muss der Anteil der „schulischen“ Vermittlung von Inhalten an der Offizierschule wesentlich verkürzt werden. Das A und O muss immer der Truppenbezug sein, egal ob als Offizieranwärter oder als erfahrener Stabsoffizier, wenn wir diesen nicht haben oder verlieren, verlieren wir das Gefecht! Jeder Luftwaffensoldat, insbesondere jeder Luftwaffenoffizier, muss wissen wie ein Verband, insbesondere ein fliegender Verband, aufgebaut ist und wie er funktioniert, worauf es ankommt!

Dazu müssen Offizieranwärter Eindrücke aus der „realen Welt“ bekommen und Lehrpersonal an den Schulen muss ebenso über Truppenerfahrung und Einsatzbezug verfügen! Dazu ist eine regelmäßige Rotation von Personal notwendig! Und das Prinzip „die Besten in die Ausbildung“ muss umgesetzt werden. Denn die heutigen Anwärter sind die Truppenführer von morgen, mit der Pflicht zu motivieren und authentisch auszubilden. Was nur funktioniert mit klarer Ausrichtung am Auftrag und dem Verständnis, was der eigene Anteil am Großen und Ganzen ist.

Die Luftwaffe ist beeindruckend, toll, traditionsreich, stolz, hoch spezialisiert in vielen Bereichen und mächtig! Und jeder, der eine Schwinge auf seiner Schulter tragen darf, kann stolz sein, ein Teil davon sein zu dürfen und dafür muss er jeden Tag alles geben! Das müssen wir vermitteln.

Lasst gerne einen Kommentar mit eurer Meinung da. Im nächsten Artikel zu meinem Werdegang geht es um das Studium bei der Bundeswehr…

4 Comments

  1. Sehr schön geschrieben.
    Wobei ich sagen muss, daß die OSLw es mittlerweile sehr gut hinbekommt, die Luftwaffe in all seinen Facetten darzustellen (hier besonders muss das Segelflieger hervorgehoben werden).
    Ich hatte schon überlegt, ob eine Betrachtung der Heeresausbildung eine Möglichkeit wäre?

    1. Vielen Dank! Ja, das stimmt, dass mit dem Segelflugschein hätte ich erwähnen sollen. Soweit ich weiß, können die Offizieranwärter einen Segelflugschein machen, um so ein Gefühl für das Fliegen zu bekommen, unabhängig von ihrer geplanten Verwendung bei der Luftwaffe; eine tolle Sache! Gut, wenn sich in den letzten Jahren etwas getan hat (es wäre ja auch schlimm, wenn nicht). Dennoch bin ich der Meinung, dass auch schon Offizieranwärter von Anfang an einen höheren Truppenbezug brauchen. Dabei finde ich es wirklich wichtig, dass ein jeder Soldat bei der Luftwaffe versteht, wie ein Flugplatz funktioniert und das kriegen wir eben nicht hin, da wir auch hier häufig nur in Zuständigkeiten oder Verwendungsreihen denken. Aber wir können immer besser werden 🙂

      1. Deswegen sollten wir vllt einen Blick ins Heer werfen, wo sie mehr Abschnitte in Kleingrp in der Trp haben 🙂

        Und mit dem Flugplatz sehe ich genauso!

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